„Seine Sucht nach Alkohol entspricht auf einer niedrigen Stufe dem geistigen Durst des Menschen nach Ganzheit, in mittelalterlicher Sprache: nach der Vereinigung mit Gott“. So hatte C.G. Jung an Bill W. geschrieben, den Gründer der Anonymen Alkoholiker. Es ging um einen ehemaligen Patienten von ihm. Und Jung schloss den Brief mit den Worten: „Auf Lateinisch heißt Alkohol spiritus, und man verwendet dasselbe Wort für die höchste religiöse Erfahrung wie für das ins Verderben führende Gift. Die hilfreiche Formel lautet deshalb: spiritus contra spiritum.“
Wie könnte exakter beschrieben werden, worum es bei Alkohol und Spiritualität geht.
William James: Mystik und Alkohol
Der nächste Schritt in mystische Zustände führt uns in einen Bereich, den öffentliche Meinung und philosophische Ethik immer schon als pathologisch gebrandmarkt haben, während ihn die private Praxis und bestimmte lyrische Kreise anscheinend immer noch idealisieren. Ich meine den Bewusstseinszustand, der durch Gifte und Anästhetika, besonders Alkohol erzeugt wird. Die Macht des Alkohols über die Menschheit beruht ohne Frage in seinem Vermögen, die mystischen Fähigkeiten der menschlichen Natur zu stimulieren, die in den nüchternen Stunden von den kalten Fakten und der trockenen Kritik niedergehalten werden. Nüchternheit verkleinert, unterscheidet und sagt Nein; Trunkenheit erweitert, verbindet und sagt Ja. Sie ist in der Tat der große Ja-Erreger im Menschen. Sie bringt ihren Jünger von der kalten Peripherie der Dinge zum strahlenden Herzen. Für den Moment vereint sie ihn mit der Wahrheit. Die Menschen laufen ihr nicht aus bloßer Perversität nach. Für den Armen und Ungebildeten nimmt sie den Platz ein, den für uns Symphoniekonzerte und Bücher einnehmen; und es gehört zu den unergründlichen Geheimnissen und der Tragik des Lebens, dass vielen von uns nur der Hauch und der Schimmer dessen gewährt wird, was wir in den flüchtigen Anfängen zunächst als etwas Großartiges wahrnehmen, was als Ganzes jedoch eine erniedrigende Vergiftung ist. Das trunkene Bewusstsein ist ein Stück des mystischen Bewusstseins, und unser Gesamturteil über dieses Teilstück muss in unser Urteil über das größere Ganze eingebettet sein.
William James (1842 – 1910) in: Die Vielfalt religiöser Erfahrung. Eine Studie über die menschliche Natur. Frankfurt am Main/Leipzig 1997, S. 389-390
„The use of alcohol is often related with escapism, particularly in the West. This sourcebook will be very helpful for those who abuse alcohol in that way, so I hope that people will study and practice the approach that is outlined here.
We have given the name Sarpashana to the group in our community that works with alcoholism. Sarpashana is a Sanskrit word that means “peacock.” In Eastern mythology, the peacock is an animal that can turn poison into medicine. In terms of relating to alcoholism, before the poison can be transmuted, first one has to give it up. At a later, advanced, stage, it is possible that the poison could become medicine.
With blessings,
The Ven. Chögyam Trungpa, Rinpoche
10 June 1985″
Grusswort des buddhistischen Meisters Chögyam Trungpa für das „Sarpashana Sourcebook“. Das komplette Sourcebook ist hier online greifbar:
https://www.justloveaudio.com/resources/Assorted/Buddhist_attempt_at_dealing_with_alcoholism.pdf
Eine aufschlussreiche Information über die Bedeutung des Symbols des Sarpashana, des Pfaues, gibt es hier, wo sich Tamara Aberle mit dem Pfau als Symbol in Asien befasst:
http://www.asienhaus.de/public/archiv/symbolpfau.pdf
Was sagt das Wort Mantra?
Was sagt das Wort Mantra? Die Silbe man heißt Verstand. Auch Denken und Fühlen. Alles, was den Menschen ausmacht. In man steckt das englische man und das deutsche Mensch, auch das kleingeschriebene deutsche man. Tram ist die helfende und beschirmende Kraft, die „Fittiche“ des Psalmisten; „ER breitet seine Fittiche über dir. Seine Wahrheit ist dein Schirm und Schild.“ Das ist tram. Ein Man-tram breitet Fittiche über Verstand, Denken und Fühlen.
Joachim-Ernst Berendt (1922 – 2000) Nada Brahma als Mantra. In: Wilfried Huchzermeyer (Hrsg): Das Geheimnis der Mantra-Kraft. Karlsruhe 2000, S. 11
Symposium „Sucht und Spiritualität“
Der österreichische „Grüne Kreis“ (Verein zur Rehabilitation und Integration von suchtkranken Menschen) feierte im Jahr 2013 sein 30jähriges Bestehen mit einem 3-tägigen Symposium zum Thema „Sucht und Spiritualität“ an der Karl-Franzens-Universität Graz. Sie finden hier nun alle Vortragenden mit ihren Referaten.
Referenten waren:
Prof. Leon Wurmser
V-01: Urscham und tragischer Teufelskreis
Dr. Sylvester Walch
V-02: Wege zur Ganzheit
Prof. Hans-Walter Ruckenbauer
V-03: Epikurs Üppigkeit
Prof. Susanne Heine
V-04: Die Natur als religiöses Konzept
Mag. Martin Engelberg
V-05: Spiritualität & Judentum & Psychoanalyse
Prof. Brigitte Marschall
V-06: Schwellenräume und psychedelische Environments
Prof. Ferdinand Angel
V-07: Was soll Sucht mit Glauben zu tun haben?
Prof. Michael Soyka
V-08: Suchterkrankungen: Neurobiologische Grundlagen
PD. Human-Friedrich Unterrainer
V-09: Religiös/Spirituelles Befinden bei stationären Suchtpatienten
Prof. Herwig Scholz
V-10: Der Suchtkranke und sein magisches Denken
Prof. Hans-Peter Kapfhammer
V-11: Süchtige Religiosität?
Franz Schuh
V-12: Über Sucht und Glückssuche
Günther Brus
V-13: Provoziertes Leben
Prof. Ulrike Bechmann
V-14: Von Zauberschalen und Wunderheilungen
Prof. Hartmann Hinterhuber
V-15: Spirituelle Ansätze in der Suchtherapie
Prof. Eckhard Frick
V-16: Spiritus contra Spiritum
Die Vorträge finden sich als Youtube-Dateien hier:
http://a-research.info/kongress-2013-vortraege